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Curriculum

Die Tandem-Qualifizierung besteht aus neun Präsenzmodulen aufgeteilt in drei Blöcke mit jeweils drei Tagen.

Inhalte des Curriculums zur Tandem-Qualifizierung

"Fühlt sich jede:r in der Weiterqualifizierung willkommen?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 102)

„Entwickeln alle Tandem-/Tridempartner:innen in der Weiterqualifizierung ein partizipatives Rollenverständnis und Gemeinschaftsgefühl?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 102)

Diese zwei Fragestellungen sind leitend für das erste Modul und darüber hinaus grundlegend für die gesamte Qualifizierung:

Sich willkommen zu fühlen bedeutet, Wertschätzung und Empathie von anderen entgegengebracht zu bekommen: für die eigene Person, für die eigenen Perspektiven, Bedürfnisse und Interessen, auch dann, wenn sie von denen anderer abweichen, für die individuellen Gefühle, Kompetenzen und Erfahrungen. Dies sind zentrale Merkmale von und Voraussetzungen für Partizipation. Eine nachhaltige Stärkung von Partizipation in Ganztagsschulen und Schulen mit Ganztagsangebot ist die Zielsetzung des Gesamtprogramms des BMFSFJ. Dafür soll die Weiterbildung qualifizieren.

Partizipation kann jedoch nur ermöglicht werden, wenn sie als ein Anspruch für alle (Schulpersonalmitglieder, Eltern/Sorgeberechtigte und Schüler:innen) in ihren schulischen Gemeinschaften und auf sämtlichen Ebenen gilt. Sie ist folglich nicht nur als Zielsetzung am Ende eines organisationalen Entwicklungsprozesses zu verstehen, sondern als Bestandteil dieses Prozesses. Somit ist sie auch ein grundlegender Anspruch in der Weiterqualifizierung:

Wie sollten die Tandem-/Tridempartner:innen der Weiterqualifizierung in der Lage sein, die Partizipation anderer in ihren Schulen zu unterstützen, wenn sie selber nicht partizipieren können? Wie sollen sie Individualität wertschätzen können, wenn sie selber keine Wertschätzung erfahren?  Wie sollen sie sich offen auf neue Wege einlassen können und den Mut haben, auszuprobieren, wenn sie befürchten müssen, aufgrund scheinbarer Fehltritte, Abwertung und Ausgrenzung zu erleben? Wie sollen Sie unterstützende, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen aufbauen, wenn Sie selber keinen vertrauensvollen Raum, kein schützendes, tragendes Umfeld erleben?

Dieser partizipative Anspruch zieht sich durch alle Module und wird im ersten Modul grundlegend etabliert. Dabei steht das Kennenlernen und die Vertrauensbildung der Tandem-/Tridempartner:innen untereinander im Vordergrund. Sie bilden die Grundlage für die gemeinsamen und persönlichen Lernprozesse während der gesamten Weiterqualifizierung, die sensibel und emotional sein können: z.B. wenn es um die Auseinandersetzung mit den eigenen Zukunftsvisionen und der eigenen Bildungsbiografie geht, um selbsterlebte Diskriminierungen und Privilegierungen und eigene potenziell diskriminierende Handlungen und Sichtweisen, mit deren kritischer Reflexion im ersten Modul begonnen wird. Vor diesem Hintergrund, den persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen der Tandem-/Tridempartner:innen, sollen erste Anknüpfungspunkte an zentrale Begriffskonzepte der Weiterqualifizierung identifiziert und reflektiert werden.

Zusammenfassend verfolgt das MODUL I mit seinen Inhalten und Methoden das Hauptanliegen, die Tandem-/Tridempartner:innen bei der Entwicklung eines partizipativen Rollenverständnisses in der Weiterqualifizierung zu begleiten, mit anderen Worten sie in eine partizipative „Startposition“ zu bringen, als Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit den weiteren Inhalten der Qualifizierung.

„Reflektieren die Erwachsenen und jungen Menschen die Werte, die ihrer Arbeitsweise und ihrem Verhalten in der Schule zugrunde liegen?“  (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 113)

„Gestalten Schulpersonal, Schüler:innen und ihre Familien bewusst eine Kultur der Partizipation und der Zusammenarbeit?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 108)

„Wird Inklusion als kontinuierlicher Prozess zur Entwicklung der Partizipation aller verstanden?“  (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 116)

Das Hauptanliegen dieses Moduls ist die kritisch reflexive Auseinandersetzung mit grundlegenden Konzepten der Weiterqualifizierung – Partizipation, Inklusion, Demokratische Bildung, Diversität/Differenz – aus wissenschaftlicher und theoriegeleiteter Perspektive und im Hinblick auf die eigene Schule. Auf dieses Weise erhalten die Tandem-/Tridempartner:innen eine Argumentationsgrundlage für die Bedeutung und das Potenzial partizipativer und demokratischer Entwicklungen für Bildungs- und Lernprozesse sowie für die Gestaltung ihrer Schulen und werden in ihrer Sprachfähigkeit unterstützt. Dies ist eine Voraussetzung für die konstruktive Auseinandersetzung mit möglichen Widerständen und für die Mobilisierung von Ressourcen in den eigenen Schulsettings.

Des Weiteren werden anschlussfähige Diskurse für partizipative und demokratische Schulentwicklungen vorgestellt, um Synergien erzeugen und Ressourcen bündeln zu können, statt unverbundene Parallelentwicklungen in Schulen zu befördern. Dabei haben die Tandem-/Tridempartner:innen die Gelegenheit, sich mit konkreten Praxismethoden und -ansätzen auseinanderzusetzen und sie als mögliche Ressourcen für die Entwicklungen an ihren Schulen in Erwägung zu ziehen.

Im letzten Teil des Moduls werden die Tandem-/Tridempartner:innen mit dem Ansatz der systemischen Organisationsentwicklung und seinen spezifischen Potenzialen für partizipative und demokratische Entwicklungsprozesse vertraut gemacht.

Für den eigenen Lernprozess der Tandem-/Tridempartner:innen und das Gelingen partizipativer Prozesse ist die kontinuierliche Reflexion unabdingbar, um Barrieren und Spannungsfelder sowie Ressourcen in allen drei Dimensionen von Schulentwicklungen – Kulturen, Strukturen und Praktiken – zu identifizieren. Dafür werden in diesem Modul die Reflexionsportfolios der Tandem-/Tridempartner:innen zu einem zentralen Instrument der Prozessbegleitung: In ihnen werden Eindrücke, Fragen, Gedanken, und Erfahrungen, die durch die Arbeit in der Schule und in der Weiterqualifizierung entstanden, festgehalten und in den Zusammenhang aktueller Forschung und bereits gelebter, guter Praxis gestellt.

Zusammenfassend erfolgt in diesem Modul eine grundlegende Auseinandersetzung mit exkludierenden und partizipativen Kulturen, Strukturen und Praktiken in Ganztagsschulen, in der theoriegeleitete Perspektiven immer wieder mit der Praxis verbunden und in Bezug auf Umsetzungsmöglichkeiten kritisch reflektiert werden. Sie ist die Basis für die Entwicklung einer Kultur der Anerkennung, die den Rahmen der Prozessbegleitung bildet.

„Welche Barrieren und welche Ressourcen bestehen an der Schule für Partizipation an ihren Entwicklungen?“

„Wie lassen sich die Kulturen, Strukturen und Praktiken in der Schule so gestalten, dass alle partizipieren können?“

Ziel des Moduls ist es, Barrieren und Ressourcen für partizipative Entwicklungen an Ganztagsschulen in unterschiedlichen Entwicklungsdimensionen (Kulturen, Strukturen und Praktiken) und auf unterschiedlichen Ebenen zu (er)kennen.

Dazu werden die Tandem-/Tridempartner:innen sich neben den rahmenden rechtlichen Grundlagen (international, national und regional) als Ressource für Teilhabe und zum Abbau von Barrieren, intensiv mit den Kulturen, Strukturen und Praktiken in der eigenen Schule befassen, diese identifizieren, diese diskutieren und Perspektiven zum Abbau von Barrieren entwickeln. Partizipation wird dabei entsprechend der Definition in Modul II als umfassendes Konzept für Schulentwicklung verstanden, dass nur nachhaltig wirkt, wenn es als Anspruch für alle – Erwachsene und junge Menschen – umgesetzt wird. Gleichzeitig ist den Tandems/Tridems bewusst, dass auch alle Mitglieder der Schulgemeinschaft für die Umsetzung des partizipativen Anspruchs verantwortlich sind genauso wie für die andernfalls ermöglichte institutionelle Diskriminierung.

Bei der Auseinandersetzung mit der Umsetzung partizipativer Entwicklungen in der eigenen Schule gehen die Tandem-/Tridempater:innen in diesem Modul den o.g. Fragen nach.

Sowohl Barrieren als Ressourcen für Schulentwicklungen finden sich in allen Aspekten von Schule: „in Kulturen, Strukturen und Praktiken, Gebäuden, Ausstattungen, Büchern, Computern, dem Personal, Kindern und Jugendlichen, Eltern und Erziehungsberechtigten, Gemeinschaften und Schulgremien.“ (Booth/Ainscow 2019, 61)

Die Tandem-/Tridemparteri:innen identifizieren vorhandene Ressourcen in der eigenen Schule für die Unterstützung von Partizipation und berücksichtigen dabei die Vielfalt der Perspektiven der Schulmitglieder. Die Schulleitungsteams der beteiligten Schulen werden an dieser Stelle eingebunden, indem sie ebenfalls Barrieren und Ressourcen für partizipative Entwicklungen in der eigenen Schule identifizieren und so den Diskurs fundiert unterstützen. Ein Fokus werden dabei schulische Räume und Zeiten  bilden, die kritisch in Bezug auf ihre Wirkung als Barrieren bzw. als Ressourcen für einen partizipativen Umgang mit Diversität (→ Modul II) geprüft werden:  z.B. werden Räume und Zeiten unter Umständen kategorial, bspw. nach Kategorien von Schüler:innen, z.B. Schüler:innen mit bzw. ohne einen zugeschriebenen Förderstatus‘, zugeteilt, anstatt diese kategoriale Diversität zu dekonstruieren, um Diskriminierungen zu verhindern. Je dekategorialer und umfassender der Blick auf Barrieren und Barrierefreiheit ist, desto vielfältiger die räumlichen, zeitlichen und personellen Ressourcen und desto flexibler ihre Nutzungsmöglichkeiten. Außerdem werden Möglichkeiten der Rhythmisierung und Flexibilisierung von (curricularen) Vorgaben unter dem Aspekt von Partizipation in Ganztagsschulen thematisiert. Dabei, doch nicht nur dabei, gewinnt die Frage, wie „Mut zum Ungehorsam“ Schulentwicklung beflügeln kann, zunehmend an Relevanz.

Ergänzend zur Auseinandersetzung mit den eigenen Schulen werden im Rahmen dieses Moduls Praxis-Beispiele für Partizipation in Ganztagsschulen vorgestellt und ihre Entwicklung anhand der Dimensionen Kulturen, Strukturen, Praktiken betrachtet. Hospitationen an Schulen mit gelungenen Beispielen für partizipative Entwicklungen werden (möglichst in Transfergruppen) geplant.

„Wird diese gemeinsame Werteorientierung genutzt, um Druck von außen, nach anderen Werten zu handeln, zu widerstehen?“ (Booth/Ainscow 2019, 113)

In diesem Modul wird ein Prozess besprochen, der in der Organisationsentwicklung scheinbar unvermeidlich ist: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitermachen…“

Es ist typisch für Schulentwicklungsprozesse, dass nicht alles so läuft wie geplant. Es können plötzlich ungeahnte Ressourcen und Entwicklungen entstehen, die beflügeln und gleichzeitig kann es auch manchmal zäh werden, es kann Probleme und sogar Konflikte geben. Vielleicht wird auch der Moment kommen, in dem es fraglich ist, ob es überhaupt weitergehen wird, obwohl alle Beteiligten doch scheinbar das Gleiche wollten. Konflikte, Widerstände usw. zu bemerken und darauf einzugehen, anstatt sie machtvoll zu unterdrücken, ist Ausdruck der partizipativen Qualität der Prozesse: "Verletzlich zu bleiben ist ein Risiko, das wir eingehen müssen, wenn wir eine Verbindung herstellen wollen." (Brenè Brown) Und es ist hilfreich, von vornherein damit zu rechnen, mit anderen Worten: das Unerwartete zu erwarten.

Sollte es mal schwierig werden, ist es gut zu wissen, was den Beteiligten und einem selbst hilft, wie und wo Schutz und Unterstützung gefunden werden kann. Um andere stärken und ermächtigen zu können, ist es wichtig, sich selbst zu stärken und zu ermächtigen. Es braucht Mut für Veränderungen, die von Unsicherheiten und Ängsten begleitet sein können. Dafür ist es unter anderem hilfreich, von Anfang an ein gutes, tragfähiges Netz von Unterstützer:innen aufzubauen.

Gemeinsam werden in diesem Modul die folgenden Fragen bearbeitet: Was tun, wenn es Probleme gibt, die den Prozess zu behindern scheinen? Wie kann verhindert werden, dass Konflikte entstehen, bzw. „hochkochen“? Dazu sind die Modulinhalte in vier Abschnitte geteilt, die alle Bestandteil des Umgangs mit Widerständen sind: die Entwicklung der eigenen Haltung und des eigenen Konfliktverhaltens bei Widerständen, die Identifikation von Widerständen, die Analyse möglicher Ursachen der Widerstände und der Wechsel der Perspektive auf den Widerstand. Dafür werden verschiedene Methoden an die Hand gegeben. Außerdem dient der grundlegende Anspruch des Prozesses, die Partizipation aller Personen der Schulgemeinschaft an den Entwicklungen und das gemeinsame Finden und Treffen von Entscheidungen dazu, Widerstände zu reduzieren, Gefühle, übergangen zu werden, zu verhindern und schneller zu Lösungen zu kommen. Doch auch das will gelernt und geübt sein.

„Werden die Schüler*innen, Eltern/Erziehungsberechtigten und Mitglieder der Schulgremien gefragt, welche Hindernisse für Lernen und Teilhabe sie sehen und wie man sie beseitigen könnte?“ (Booth/Ainscow 2019, 124)

„Besteht Einigkeit darüber, dass eine kontinuierliche, nachhaltige Weiterentwicklung der Schule nur auf Basis gemeinsamer Werte verbunden mit konkreten Veränderungen der Kulturen, Strukturen und Praktiken in der Schule möglich ist?“ (Booth/Ainscow 2019, 124)

In diesem Modul werden wir den klassischen Ablauf eines Schulentwicklungsprozesses kennenlernen. Mit der Besonderheit, dass hier die Partizipation und Selbstwirksamkeit aller Personen (Erwachsene und junge Menschen) in den Mittelpunkt gestellt werden, nicht nur als Zielsetzungen, sondern als grundlegendes Merkmal des Prozesses. Die verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses und ihre partizipative Gestaltung mit entsprechenden Methoden werden dabei im Mittelpunkt des Moduls stehen:

Die Themen, welche die Schulen auf dem Weg zu mehr Demokratie und Partizipation bearbeiten wollen, werden von allen Personen der Schule gemeinsam herausgefunden, ausgehandelt und dafür Ziele formuliert.

Für die Erreichung eines Zieles, braucht es einen „Fahrplan“. Auch dieser wird gemeinsam erstellt und umgesetzt, vielleicht wieder umgeworfen und erneuert oder nachgebessert.

Am Ende steht ein Prozess, der nicht enden wird, sondern immer wieder dazu einlädt, alle Personen der Schulgemeinschaft sich fragen zu lassen: Was macht für uns momentan eine gute Schule aus? Wie wollen wir, in unserer Schule zusammenleben? Und wie erreichen wir dies?

„Gehen die Tandem-/Tridemparter:innen der Frage nach, inwieweit sie selbst diskriminierende Ansichten und Verhaltensmuster haben, woher diese kommen und wie sie zu verändern sind?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 138)

„Treffen sich die Tandem-/Tridempartner:innen und tauschen sie Kenntnisse, (Fach-)Kompetenzen, Ideen und Interessen aus, um sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung der eigenen Arbeit zu unterstützen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu entwickeln?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 127)

Das Kernanliegen dieses Modul ist es, das eigene Rollenverständnis als Prozessbegleitung im Team klären und nach außen vertreten zu können. Die beiden zuvor genannten Fragen adressieren  zwei dafür wesentliche Voraussetzungen: auf der einen Seite die kritisch-reflexive Auseinandersetzung der Begleiter:innen mit sich selbst und auf der anderen Seite die Mobilisierung und bestenfalls strukturelle Verankerung unterstützender Ressourcen im unmittelbaren Tandem-/Tridemteam, in der Schule und im weiteren Umfeld.

Das eigene Selbstverständnis als Prozessbegleiter:in für demokratische bzw. partizipative Entwicklungsprozesse an Ganztagsschulen zu definieren, mit einer klaren Haltung und eindeutigen Aufgabenbereichen zur Ergänzung des Tandem-/Tridemteams und Unterstützung der gemeinsam getragenen Verantwortung, ist nicht immer einfach. Rollendiffusion aufgrund unterschiedlicher Erwartungshaltungen, die an uns in beruflichen Zusammenhängen herangetragen werden und voneinander abweichende Fremd- und Selbstwahrnehmungen können den Prozess der Rollenklärung erschweren und machen ihn gleichzeitig umso notwendiger. Die eigene professionelle Rolle und Haltung als Prozessbegleitung für partizipative Entwicklungsprozesse dann noch im Kontext oftmals gegenläufiger und widersprüchlicher systemischer und institutioneller Anforderungen sowie gegenüber zweifelnden, verunsicherten und anders positionierten Kolleg:innen vertreten zu können und standfest zu bleiben, gleichzeitig jedoch auch flexibel und offen gegenüber anderen Positionen und Perspektiven zu sein und sich auf den Dialog einzulassen, stellt eine weitere Herausforderung dar.

Was sind Barrieren, die uns behindern unsere Position gegenüber anderen, innerhalb der Schule und auch nach außen zu vertreten? Wie können wir sie abbauen? An welchen Stellen sind wir uns selber noch unsicher? Wie können wir uns stärken und mehr Sicherheit bekommen? Welche Ressourcen haben wir zur Verfügung für unsere eigene Unterstützung in der Prozessbegleitung und wie können wir weitere Ressourcen mobilisieren? Zur Beantwortung dieser Fragen bedarf es eines kontinuierlichen Reflexionsprozesses: zum einen bezogen auf das eigene Selbstkonzept und dessen Einfluss auf unsere potenziell diskriminierenden/privilegierenden Handlungen und Haltungen und zum anderen in Bezug auf das Tandem-/Tridemteam, die eigene Schule und das Umfeld, bestehende Barrieren und Ressourcen zur Stärkung der eigenen Rolle als Prozessbegleitung.

Zusammenfassend verfolgt das MODUL VI mit seinen Inhalten und Methoden das Hauptanliegen, die Beteiligten bei der Klärung und Entwicklung ihrer Rolle als Prozessbegleiter:innen für partizipative Entwicklungsprozesse – individuell und im Team – zu unterstützen. Im ersten Teil sollen nach einer theoriegeleiteten Definition des wertebasierten, systemischen Konzepts ‚Prozessbegleitung‘ Methoden und Perspektiven für eine kontinuierliche, (selbst-)reflexive Rollenklärung und -stärkung kennengelernt und erarbeitet werden. Daran anknüpfen fokussiert der zweite Teil des Moduls die Darstellung und Vertretung der eigenen Rolle und Haltung nach außen.

„Was bedeutet Beteiligung für junge Menschen meiner Einrichtung?“

„Welche Kulturen und Strukturen müssen dafür in Schulen in Frage gestellt und verändert werden?“

Die Relevanz von pädagogischen Beziehungen reicht weit über die persönliche Ebene und den wertschätzenden Blick auf das Gegenüber hinaus. Nur wer selbst in Beziehungen demokratische Werte erleben kann, kann diese auch authentisch weitertragen. Wie sollen Partizipation und ein demokratisches Miteinander die Schulkulturen prägen, wenn sie nicht bereits als Grundlage jeglicher zwischenmenschlichen Begegnungen gelebt werden? Und wie kann die institutionelle Ebene von Schule sich so entwickeln, dass junge Menschen Subjekte ihrer eigenen Entscheidungen und Lernprozesse werden? Entsprechende Prozesse und Strukturen müssen mehr sein als nur ein Projekt und grundlegend die Kulturen der Einrichtung prägen.

Ausgehend von diesem Anspruch an selbstbestimmte Beteiligungsformen und partizipative Gestaltungsmöglichkeiten, der einfordert mit den jungen Menschen, statt über sie zu sprechen, werden in diesem Modul die jungen Menschen der eigenen Einrichtung sichtbar und kommen zu Wort. Die Tandem-/Tridempartner:innen führen im Rahmen der Portfolioarbeit im Vorfeld Interviews mit jungen Menschen an ihren Schulen. Dabei rücken die eigene Rolle, die eigenen pädagogischen Beziehungen sowie die bestehenden Schulstrukturen in den Fokus. Während des Moduls – im Wechselspiel zwischen theoretischen Inputs und der Reflexion der eigenen Interviews – gelingt eine Sichtbarmachung der jungen Menschen aus der eigenen Einrichtung. Welche Vorstellungen, Wünsche, konkrete Ideen oder Ängste haben sie in Bezug auf Partizipation? Welchen Blick haben junge Menschen aus der Einrichtung auf Gleichberechtigung, pädagogische Beziehungen und bestehende Entscheidungsstrukturen? Darüber hinaus gehen die Tandem-/Tridempartner:innen in den Austausch untereinander, erweitern ihre Sichtweisen auf die eigenen Interviews und hören andere Stimmen aus der Praxis.

Zusammenfassend wird in diesem Modul die Stimmenvielfalt junger Menschen in den Mittelpunkt gerückt und wahrhaftiges Zuhören ermöglicht. Daran anknüpfend sollen theoretische Ideen, Praxisbeispiele sowie die Selbstreflexionen der Tandem-/Tridempartner:innen zu den eigenen Vorstellungen, Wünschen und Unsicherheiten das Gesamtbild partizipativer Entwicklungen vor allem in Bezug auf drei Ebenen – die persönliche, die interaktionale und die institutionelle Ebene – weiter ergänzen.

Schafft das Schulpersonal eine Kultur der gleichberechtigten Zusammenarbeit für alle Menschen in der Schule?“ (Booth/Ainscow 2019, 103)

„Tragen die Kolleg:innen im Team gemeinsam die Verantwortung dafür, dass alle jungen Menschen an Lernaktivitäten teilhaben können?“ (Booth/Ainscow 2019, 194)

„Ist die Teamarbeit des Schulpersonals ein Modell für die Zusammenarbeit der jungen Menschen?“ (angelehnt an Booth/Ainscow 2019, 103)

Multiprofessionelle Kooperation ist nicht nur ein grundlegendes Element der pädagogischen Arbeit in Ganztagsschulen, sondern außerdem ein zentraler Faktor demokratischer und partizipativer Schulentwicklungen. Konzepte, pädagogische Inhalte und Methoden können auf Basis vielfältiger zusammengeführter professioneller Perspektiven und Kompetenzen umfassend beurteilt und nachhaltig umgesetzt werden. Enger, regelmäßiger Austausch in strukturell etablierten multiprofessionellen Teams ermöglicht, gemeinsam Verantwortung für die pädagogische Arbeit mit allen jungen Menschen zu tragen und sich gegenseitig bei der Bewältigung von Herausforderungen zu unterstützen, damit partizipative und demokratische Entwicklungen gelingen. Doch wie kann eine solche multiprofessionellen Kooperation gelingen? Welche Barrieren und Ressourcen bestehen in den Kulturen, Strukturen und Praktiken von Ganztagsschulen, die die Umsetzung behindern und begünstigen? Wie können die Barrieren abgebaut und Ressourcen mobilisiert werden? Diese Fragen werden im Modul VIII thematisiert: Ausgehend von einer ersten theoriegeleiteten Begriffsklärung liegt der Schwerpunkt der praxisorientierten Auseinandersetzung auf der Reflexion der jeweiligen Gegebenheiten an den Schulen der Tandem-/Tridempartner:innen, der Identifizierung von Voraussetzungen und konkreter Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung multiprofessioneller Kooperation. Dazu werden u.a. verschiedene Methoden und Praxisbeispiele vorgestellt.

Quellenangabe

Booth, Tony & Ainscow, Mel (2019): Index für Inklusion. Ein Leitfaden für Schulentwicklung. Weinheim: Beltz